Wer eine moderne Arbeitsbühne zum umstürzen bringt, legt es darauf an!

Dank dieser Funktionen können Arbeitsbühnen (fast) nicht mehr umstürzen.

 

 

Johannes Mangold

Digitalexperte bei PartnerLIFT

 

Alles senkrecht, so wie es sein soll! (Foto: Shutterstock / Ken Felepchuk)

06. November 2018, 12:42 Uhr

In Extremsituationen verfügen moderne Arbeitsbühnen über ausgeklügelte Systeme, um Unfälle zu vermeiden. Aber sind diese Systeme so intelligent, wie sie versprechen oder bergen sie auch Gefahren? Wir beleuchten die Assistenzsysteme und zeigen, was sie leisten können und was nicht.

Unachtsamkeit, Unwissenheit, Selbstüberschätzung – das sind nur einige der häufigsten Unfallursachen, nicht nur auf Baustellen. Automobilhersteller investieren bereits seit einigen Jahrzehnten hohe Summen in die Entwicklung von Assistenzsystemen, die uns vor menschlichem Versagen schützen sollen: Angefangen beim ABS und Spurassistenten über Tempomaten und Abstandskontrolle bis hin zum autonomen Fahren. Doch welche dieser Technologien helfen uns in luftiger Höhe auf der Arbeitsbühne? Unsere Spielzeuge, übrigens nicht selten um ein Vielfaches teurer, als ein Luxusauto, verfügen über eigene, ausgeklügelte Unfallvermeidungssysteme, die wir hier näher beleuchten wollen.

Die verbauten Assistenzsysteme bemessen sich, wie bei Autos auch, an Größe und Preis des Gerätes. Die kleine 8-Meter-Schere verfügt längst nicht über die Technik des 48-Meter-Booms – kann ja auch nicht so viel passieren – doch was steckt eigentlich in so einem Boom drin? Wir bringen Licht ins Dunkel!

„Die Gefahr“ gibt es nicht! Gefahren im Umgang mit Arbeitsbühnen sind vielfältig

Die Gefahren beim Arbeiten auf Hubarbeitsbühnen sind vielfältig. Gegen manche davon kann die Technik uns schützen, gegen andere nicht. Die größte Gefahr geht dabei sicherlich von umstürzenden Arbeitsbühnen aus, ein Unfall, der nicht nur für die Personen im Korb übel enden kann, sondern auch weitere Personen am Boden gefährden kann. Glücklicherweise verhindern Assistenzsysteme heutzutage recht zuverlässig das Umstürzen von Arbeitsbühnen – wenn wir sie lassen.

Wie die Gefahrensituation erkannt wird

Am zuverlässigsten sind Arbeitsbühnen, die in Echtzeit ermitteln können, welche Lasten auf welches Bauteil wirken. Verfügt ein Gerät beispielsweise über Sensoren zur Bestimmung der Lastverteilung an allen Stützen, kann bei jeder Bewegung des Korbarmes direkt die Veränderung der Stützlast ermittelt werden. Aus diesen Werten kann dann der Schwerpunkt der Maschine bestimmt werden – solange dieser und der Korbarm nicht auf derselben Seite der Kippachse liegen, wird die Arbeitsbühne nicht umstürzen. Die intelligente Software rechnet außerdem einen Sicherheitspuffer dazu, damit ein Schwingen des Korbes nicht zum Unfall führt. Unebenheiten des Untergrundes können, in Verbindung mit einem Lagesensor, mit in die Berechnungen einbezogen werden – für abschüssige Standflächen ist also die Standfestigkeit ebenso garantiert.

Eine Stufe einfacher, aber nicht weniger sicher ist ein System, bei dem die maximale Auslage für jeden Anstellwinkel in der Software hinterlegt wird. Die Last wird dann zwar nicht permanent überwacht, jedoch ist ein ausreichend großer Sicherheitspuffer einprogrammiert, der auch ein geringes Gefälle im Untergrund (siehe maximales Gefälle des Untergrundes in der Bedienungsanleitung des jeweiligen Gerätes), Schwingungen des Korbarmes oder Wind ausgleichen kann.

Mit einer Korbwaage kann verhindert werden, dass die maximale Korblast mit Personen, Werkzeug und Material überschritten wird. Auch hier gibt es wieder verschiedene Systeme: Die einfachen warnen den Benutzer durch ein optisches oder akustisches Signal, die ausgefeilteren Systeme verhindern die Benutzung des Gerätes mit einem überladenen Korb komplett.

Was die Systeme bewirken

Ist eine potenzielle Gefahr erst erkannt, müssen entweder Mensch oder Maschine entscheiden, wie darauf zu reagieren ist. Beide Ansätze haben Vor- und Nachteile. So kann ein menschlicher Entscheider auch mit dem Wissen, dass sein Handeln Gefahren birgt, immer noch Fehler machen. Doch sind die Erfahrung eines kreativ denkenden Menschen und seine Einschätzung der Situation, die wohlgemerkt nicht nur auf einem Haufen Sensoren und Drähte basiert, ein nicht zu unterschätzender „Problemlöseapparat.“

„Keine Maschine ist derzeit in der Lage, die Problemlösungsfähigkeit eines kreativ denkenden Menschen zu erreichen.“

Johannes Mangold, Digitalexperte bei PartnerLIFT

Notabschaltung – nichts geht mehr!

Eine mögliche Reaktion auf eine als gefährlich erkannte Situation ist die Notabschaltung: die Gummiknüppel-Methode. Mach besser keinen Quatsch, sonst lege ich dich lahm. Auf einmal geht nichts mehr von oben, alle Bewegungen, die noch ausgeführt werden, müssen vom Boden, am Steuerpult am Chassis aus gesteuert werden. Abschreckende Wirkung: Auf jeden Fall. Gefahrenpotenzial durch das Assistenzsystem: ebenso vorhanden. Ist der Bediener allein auf der Baustelle oder sind die anwesenden Personen mit der Bedienung von Arbeitsbühnen nicht vertraut, kann es eine ziemlich ungemütliche Nacht werden …

Keinen Schritt weiter – Last reduzierende Bewegungen

Die Idee ist simpel: Erlaubt sind nur noch Bewegungen, die die Last am Korbarm reduzieren. Doch was ist eine Last reduzierende Bewegung? Und wer ermittelt, ob die Last auch tatsächlich erfolgreich reduziert wird? Befindet sich ein Hindernis genau in der Richtung, in der der Arm einteleskopiert wird, ist ein Unfall unausweichlich. Wird der Korbarm gedreht, verändert sich (bei gleichbleibender Last) der Schwerpunkt der Maschine, was einen Unfall ebenso begünstigen kann, wie eine Erhöhung der Last. Selbst die Idee, denselben Weg zurückzufahren, der den Korb in die Grenzsituation gebracht hat, kann Gefahrenpotenzial bergen, denn der Weg könnte inzwischen verbaut sein. Was in der Theorie erstmal gut klingt, ist in der Praxis schwer umzusetzen. Zu vielfältig sind die Gefahren, die lauern könnten, zu unvollkommen die Informationslage des Systems. Dennoch ist eine Kollision bspw. mit einem Baum weniger schmerzhaft, also ein Sturz aus der Höhe.

Schütz dich doch selber! Denn mehr als dich warnen tun sie nicht …

Es lauern also Gefahren immer dort, wo die Technik nicht über all jene Informationen zur Umwelt verfügt, die ein Mensch wahrnehmen kann. Genügt es dann nicht, den Menschen auf die Gefahr aufmerksam zu machen und die Lösung der Situation ihm zu überlassen? Viele Geräte tun dies, indem sie optische oder akustische Warnsignale aussenden. Klar, das Piepsen nervt, hindert aber letztendlich niemanden daran, Geräte in Situationen zu bringen, für die sie schlicht nicht konstruiert sind. Der aufmerksame Höhenarbeiter wird jedoch hellhörig, wenn er realisiert, dass er sein Arbeitsgerät in eine extreme Situation bringt, und reagiert mit geeigneten Bewegungen des Korbarmes.

Fazit

Wir stellen fest, dass die Gefahr, die von Arbeiten mit Hubarbeitsbühnen ausgeht, nicht komplett zu beseitigen ist. Abgesehen davon, dass äußere Einflüsse, wie Sturm und Gewitter nicht ausgeblendet werden können, bleibt immer ein Restrisiko, das aus der menschlichen Schwäche und der stets lückenhaften Datenlage eines Computers resultiert, auch wenn die Assistenzsysteme immer besser werde und mutmaßlich viele Menschenleben gerettet und Verletzungen verhindert wurden

Was wir alle tun können, um die Sicherheit beim Arbeiten in der Höhe zu vergrößern, ist die Augen offenzuhalten und leichtsinnige Situationen zu vermeiden. Ein geringfügiges Versetzen der Arbeitsbühne vom Boden ist im Zweifelsfall schneller erledigt, als eine Rehabilitation von einem Sturz aus mehreren Metern Höhe, das Blumenbeet ist eher neu angelegt, als ein Körperteil. Die momentan marktreifen Assistenzsysteme sind ausgereift und tun ihren Job. Lasst euch bitte dennoch nicht von der Vorstellung blenden, sie würden euch euren Job abnehmen: Da im Zweifelsfall euer Kopf dran glauben muss, benutzt ihn bitte vorher!

Johannes Mangold

Head of Digital Experience
PartnerLIFT GmbH

Telefon: 04791 / 82040 - 21
E-Mail: j.mangold@partnerlift.com

 

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