Arbeiten lassen in luftiger Höhe: Fünf Vorschriften, die der Chef kennen sollte
Warum es die „Du-kommst-aus-dem-Gefängnis-frei-Karte“ nicht nur bei Monopoly gibt
Wer seine Angestellten in luftigen Höhen arbeiten lässt, setzt sie einem besonderen Risiko aus, darüber sind wir uns alle einig. Die (hoffentlich vorliegende) Gefährdungsanalyse besagt: Es sind besondere Schutzmaßnahmen zu treffen - doch wie sehen diese aus? Und wo steht, was vonseiten des Unternehmers getan werden muss? Wir lichten den Paragrafendschungel!
In unserem Artikel “Was Höhenarbeiter vor ihrem ‘ersten Mal’ wissen sollten” zeigen wir, welche Schulungen den Höhenarbeiter auf seinen ersten Arbeitseinsatz in luftiger Höhe vorbereiten. Doch dem Personaler, der vor dem Chef vertreten muss, warum er schon wieder die ganze Mannschaft auf Schulung schickt, genügt das noch nicht. Wir beleuchten gründlich, welche Gesetzesgrundlagen eigentlich gelten und wie sie ineinander greifen. Wer aufmerksam liest und seine Hausaufgaben macht, kann nachts ein bisschen ruhiger schlafen!
Die Grundlage aller Überlegungen: Die Gefährdungsbeurteilung
Nach Paragraf 5 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) ist der Arbeitgeber verpflichtet, zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes für die jeweiligen Tätigkeiten in seinem Unternehmen erforderlich sind. Paragraf 6 des ArbSchG verpflichtet weiterhin zur Umsetzung dieser Maßnahmen und zur Überprüfung ihrer Wirksamkeit (siehe hierzu auch Paragraf 3 der Betriebssicherheitsverordnung). Natürlich müssen die Ermittlung der Gefahren, die Umsetzung der Maßnahmen sowie die Überprüfung der Maßnahmen dokumentiert und im Zweifelsfall nachgewiesen werden.
Die Infografik verbildlicht diesen Prozess: Es müssen nicht nur Gefahrenquellen ermittelt und Schutzmaßnahmen festgelegt und umgesetzt werden, sondern auch auf ihre Wirksamkeit hin überprüft werden. Neben den anderen potenziellen Gefahren, die auf Baustellen lauern können, stellt der Einsatz von Hubarbeitsbühnen auf jeden Fall ein erhöhtes Risiko für die Gesundheit der Angestellten dar. Die sichere und ArbSchG-gerechte Nutzung kann nur dann gewährleistet werden, wenn Höhenarbeiter eine besondere Schulung erhalten.
Spezielle Vorschriften der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung
Der Gesetzgeber hat in Paragraf 14 ff. des siebten Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Unfallversicherung die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e.V. dazu ermächtigt, “Unfallverhütungsvorschriften über Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen [...] zu erlassen, soweit dies zur Prävention geeignet und erforderlich ist und staatliche Arbeitsschutzvorschriften hierüber keine Regelung treffen.” Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung kommt diesem Auftrag nach, indem sie DGUV-Vorschriften herausgibt. Darüber hinaus existieren Regeln, Grundsätze und Informationen, die Unternehmer bei der Wahrnehmung ihrer Pflichten im Bereich Sicherheit und Gesundheitsschutz unterstützen. DGUV-Regeln sind Zusammenstellungen bzw. Konkretisierungen von Inhalten aus
staatlichen Arbeitsschutzvorschriften,
DGUV-Vorschriften und
technischen Spezifikationen.
Inhaltlich haben sie also eine gesetzesähnliche Stellung inne. Unternehmer müssen sich in Belangen des Arbeitsschutzes auch an den DGUV-Regeln orientieren. In DGUV-Regel 100-500 (Kapitel 2.10) ist geregelt, welche Voraussetzungen Mitarbeiter erfüllen müssen, damit sie überhaupt mit der Bedienung einer Hubarbeitsbühne beauftragt werden dürfen. So heißt es in Abschnitt 2: Maßnahmen zur Verhütung von Gefahren für Leben und Gesundheit bei der Arbeit, der Unternehmer dürfe mit dem selbstständigen Bedienen von Hubarbeitsbühnen nur Personen beauftragen, die die folgenden Bedingungen erfüllen:
- Vollendung des 18. Lebensjahres,
- er oder sie muss in der Bedienung der Hubarbeitsbühne unterwiesen sein und
- muss seine/ ihre Befähigung gegenüber dem Unternehmer nachgewiesen haben.
Nur wenn alle Kriterien erfüllt sind, darf der Unternehmer einen Mitarbeiter mit der Bedienung einer Hubarbeitsbühne beauftragen - was übrigens schriftlich zu erfolgen hat und in der Personalakte dokumentiert wird.
Was bedeutet das konkret für Vorgesetzte?
Ihre Befähigung weisen Höhenarbeiter typischerweise nach, indem sie das Zertifikat über eine erfolgreich absolvierte Schulung einreichen. Welche Bestandteile diese enthalten muss, ist ebenfalls in der DGUV-Regel 100-500 niedergeschrieben - neben der theoretischen und praktischen Anleitung durch den Trainer müssen außerdem Prüfungen abgelegt werden. Der größte Ausbilder in Deutschland ist die IPAF (International Powered Access Federation), die mit der PAL-Card (Powered Access Licence) den bekanntesten Befähigungsnachweis anbietet. Die PAL-Card ist in zahlreichen weiteren Ländern als “Arbeitsbühnen-Führerschein” anerkannt. Sie muss übrigens nicht (wie in manchen englischsprachigen Ländern) alle fünf Jahre wiederholt werden: Einmal absolviert, gilt der Kenntnisnachweis hierzulande als erbracht – sofern die gesetzlich vorgeschriebene jährliche Unterweisung durchgeführt und dokumentiert wird.
„Anders als im englischsprachigen Ausland, wo die PAL-Card nach der Ausstellung nur fünf Jahre gültig ist, gilt in Deutschland der Kenntnisnachweis als erbracht, sobald die Schulung erfolgreich absolviert wurde.“
IPAF-zertifizierte Schulungszentren sind deutschlandweit zu finden, auch viele unserer Partner bieten diesen Service an. Die Schulung dauert in der Regel etwa einen Werktag und kann inzwischen sogar teilweise online absolviert werden. Die meisten Trainingszentren sind inzwischen sehr nah am Kunden und führen den theoretischen Teil auf Wunsch auch beim Kunden vor Ort durch.
Unterweisung nach §12 ArbSchG und §12 BetrSichV
Die Unterweisung ist ein Begriff aus der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV). Paragraf 12 schreibt vor, dass die Unterweisung eines Mitarbeiters vor der Aufnahme einer neuen Tätigkeit zu erfolgen hat und regelmäßig, jedoch mindestens einmal jährlich wiederholt werden soll. Führt ein Unternehmer diese Unterweisung durch oder lässt er sie durchführen, sollte er dies auch schriftlich festhalten: die Namen der Unterwiesenen ebenso wie das Datum. Wir empfehlen jedem Unternehmer, sich die Durchführung der Unterweisung per Unterschrift von seinen Mitarbeitern bestätigen zu lassen.
Vollendung des 18. Lebensjahres
Über die Vollendung des 18 Lebensjahres ist nicht viel zu sagen, die meisten Angestellten dürften diese Bedingung erfüllen. Vorsicht ist geboten bei Auszubildenden, Ferienarbeitern, Praktikanten und Aushilfen, denen man oft ihr junges Alter kaum mehr ansieht.
Wussten Sie schon?
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Schriftliche Beauftragung
DGUV-Grundsatz 308-008 stellt klar, dass die Erteilung des Auftrags zur Bedienung einer Hubarbeitsbühne vonseiten des Unternehmers schriftlich zu erfolgen hat. Eine bestimmte Form ist nicht vorgeschrieben. Unser Tipp: Vergesst nicht, auch die vom Mitarbeiter unterschriebene Beauftragung in der Personalakte abzulegen.
Einweisung in das Gerät
In DGUV-Information 208-019: „Sicherer Umgang mit Hubarbeitsbühnen“ heißt es in Bezug auf Mietgeräte, die Einweisung der Bediener obliege dem Mieter. Der Vermieter ist rechtlich nicht verpflichtet, eine Einweisung des Bedieners in die Gerätespezifika durchzuführen. Natürlich hat jeder Vermieter ein Interesse daran, dass seine Maschine, nebst Bediener heil und sicher wieder heimkommen. Zudem kann der Vermieter abschätzen, ob der Bediener über ausreichend technisches Verständnis verfügt. Die DGUV-Info weist ferner darauf hin, dass der Mieter für die Einweisung auf fachkundiges Personal des Vermieters zurückgreifen könne. In diesem Fall wird empfohlen, die Einweisung als Bestandteil des Mietvertrags zu deklarieren. Bestandteile einer umfassenden Einweisung finden sich ebenfalls in DGUV-Information 208-019. Eine Einweisung sollte unbedingt, aber nicht ausschließlich die folgenden Punkte thematisieren:
- Herstelleranweisungen und Warnhinweise,
- Merkmale des spezifischen Modells,
- Steuerungsfunktionen der Maschine und
- Bedienen des Notablassens
Fazit und Ausblick
Die Benutzung von Höhenzugangstechnik stellt ein zusätzliches Risiko für Beschäftigte dar. In der Gefährdungsbeurteilung sollte die Tätigkeit dementsprechende Beachtung finden und es sollten Maßnahmen des Arbeitsschutzes festgelegt werden. Der Unternehmer kommt seinen rechtlichen Verpflichtungen nach, sofern alle Beschäftigten das 18. Lebensjahr vollendet haben, (kurzfristig) in der Bedienung einer Hubarbeitsbühne unterwiesen sind und ihre Befähigung dazu gegenüber dem Unternehmer nachgewiesen haben. Er muss seine Mitarbeiter mit der Benutzung einer Hubarbeitsbühne schriftlich beauftragen.
Sind diese Arbeitgeberpflichten erfüllt, arbeitet der Höhenarbeiter eigenverantwortlich an seinem Arbeitsplatz in der Höhe. Ihm wurde in der Grundschulung, in der jährlich stattfindenden Unterweisung sowie in der gerätespezifischen Einweisung das nötige Wissen vermittelt, um seine Arbeit unfallfrei zu erledigen. In unserem Artikel „Keine falsche Bewegung: Umsichtiges Arbeiten in der Höhe“ ist nachzulesen, welche Gefahren lauern und wie sie effektiv vermieden werden.
Wer bei der Schulung aufgepasst hat, der weiß: Ohne persönliche Schutzausrüstung gegen Absturz (PSAgA) geht es nicht nach oben!
Laut Arbeitsschutzgesetz ist der Arbeitgeber übrigens verpflichtet, eine unter Berücksichtigung der Umstände geeignete Schutzausrüstung zur Verfügung zu stellen (Paragraf 3 ArbSchG). Der Höhenarbeiter hingegen ist nach Paragraf 15 ArbSchG verpflichtet, “die ihm zur Verfügung gestellte persönliche Schutzausrüstung bestimmungsgemäß zu verwenden.” Für den Bediener einer Arbeitsbühne bedeutet das: Ohne PSAgA geht es nicht nach oben! Noch mehr interessante Facts zur Verwendung der vorgeschriebenen Absturzsicherung findet ihr in unserem PartnerLIFT Praxischeck: „Persönlicher Schutzausrüstung gegen Absturz (PSAgA)“.
Kai Schliephake
Geschäftsführer PartnerLIFT GmbH
Telefon: 04791 / 82040 - 10
E-Mail: info@partnerlift.com
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